Man kann gut sehen, wie frostig es ist.
Man kann gut sehen, wie frostig es ist.

Schon gestern habe ich dauernd überlegt, ob es sich lohnt, hier in Viareggio zu bleiben und mir das Karnevalsgelände und Museum anzuschauen. Dienstags sind die Museen zu und Mittwoch macht das Museum erst um 15 Uhr auf. 

Ich habe mich dann entschieden zu bleiben, weil mich die Fotos im Netz neugierig gemacht haben. 

Geocaches gibt es hier keine. 

Also bin ich ein bisschen der Sonne entgegen gefahren und habe mich auf dem Parkplatz von CoOp wiedergefunden. 

Den Wagen so ausgerichtet, dass maximale Sonne eindringen kann, denn es ist kalt! 

Kalle im Schlaraffenland.
Kalle im Schlaraffenland.

Dann habe ich rausgefunden, dass Hunde mit in den Supermarkt dürfen, in eigens dafür bereit gestellten Einkaufswagen. 

Das war natürlich für Kallinki der Oberhammer! 

Es war wirklich sehr lecker präsentiert und ich musste sehr an mich halten, um nicht mehr einzukaufen, als ich essen kann. 

Kalle musste auch an sich halten, ist aber zum Glück nicht aus dem Wagen gehüpft. 

Braver Kalle!

Nette Begrüssung
Nette Begrüssung

Als geborene Berlinerin habe ich mit Karneval nichts am Hut. Natürlich haben wir als Kinder Fasching gefeiert, aber Umzug, Funkenmarie und Garde waren Fremdworte für mich. Da gab es keine Kultur in West-Berlin. War ja schließlich nicht das Rheinland. 

In Ost-Berlin war das wohl etwas anders. Die hatten ja sonst nichts zu lachen. Heute gibt es wohl in Ganz-Berlin sogar Karnevalsvereine und die sind rege mit Umzügen und so. 


Heute lebe ich in Baden-Württemberg und da gehen alle Mädchen in die Garde. Zumindest eine Zeitlang. Ich habe diese jungen Lolitas immer skeptisch gesehen. Zu viel Schminke, zu kurze Röckchen (für wen??), zu viel Alkohol während der Feierlichkeiten.

Überall stehen die Figuren der letzten Jahre oder Teile davon
Überall stehen die Figuren der letzten Jahre oder Teile davon

1873 ist der Karneval in Viareggio durch ein paar reiche Bürger entstanden, die sich gelangweilt habe und darum die Idee hatten, an einem Sonntag mit Blumen geschmückten Karren die Hauptstraße hoch und runter zu ziehen. So profan kann es manchmal losgehen. 

Heute ist es das wichtigste Karneval Ereignis von ganz Italien und Europa. Dabei mussten immer auch Hürden genommen werden. 


1960 haben Flammen die ganzen Werkräume aus Holz und das Warenhaus in der Via Cairoli zerstört, aber das konnte den Karneval nicht stoppen. 

Hier hat der Karneval auch deutlich etwas mit Kunst zu tun, was ihn mir wieder ausgesprochen sympathisch macht. Und politische Satire hat immer auch den Karneval beeinflusst. Inzwischen ist es ein kulturelles, folkloristisches und historisches Event für die ganze Stadt. 2001 wurde ein extra Areal nur für den Karneval und die Herstellung der riesigen Wagen gebaut. Dort befindet sich auch das Museum. 

Das Karneval Collosseum
Das Karneval Collosseum
Impressionen
Impressionen

In jedem Frühling werden die Entwürfe für das kommende Jahr eingereicht. Die Anträge unterteilen sich in vier Kategorien. Es gibt super große Wagen mit bis zu 20 Metern Höhe, kleinere Wagen mit bis zu 11 Metern Höhe, Sechsergruppe mit Figuren die nicht höher als drei Meter sein dürfen und Einzelpersonen auch mit Figuren unter drei Metern. 

Wagen der ersten Kategorie können eine Plattform mit bis zu 84 Quadratmetern haben. Mehr passt nicht in die Straße. 

Im Sommer reichen die Meister der Pappmaché-Bildnisse ihre Entwürfe ein und wenn das Projekt akzeptiert wird, werden die alten Wagen auseinander genommen und die neuen gestartet. 

Die Künstler können ihre Themen frei wählen und sind in ihrer Illustration und Kreativität und Satire nicht eingeschränkt. Normalerweise bauen sie ein kleines Modell ihres Wagens in der Designphase. Das erlaubt ihnen das Volumen zu studieren, die Proportionen, die Farben, die Bewegung und was nötig ist um diesen Wagen zu ziehen. 

Die Modelle sind aus Holz, Ton, Knete, Papier, Styropor oder in 3D Technologie. Über den Winter bauen die fleißigen Künstler und ihre Teams an der Maskerade und den Wagen. 

Als erstes muss der eiserne Rahmen, das Untergestell gebaut werden. Das Ganze muss stabil sein und sich bewegen können.

Eine Einzelfigur für einen Menschen
Eine Einzelfigur für einen Menschen

Später werden die riesigen Pappmaché-Figuren zusammengesetzt und bemalt. Gleichzeitig wird eine Choreographie entwickelt, die sich an dem Wagenthema orientiert und Soundtracks komponiert und die entsprechenden Menschen auswählen die den Wagen begleiten. 

Bis zu 200 Künstler tanzen auf und vor den jeweiligen Wagen der ersten Kategorie. Ausserdem braucht es Leute die den Wagen absichern, die die Figur bewegen und unsichtbar im Innern zugange sind. 

Aus dem Museum
Aus dem Museum

Die gigantische Parade findet auf einer Ringpromenade statt und dauert bis zu drei Stunden. 

Tausende enthusiastische Zuschauer aus der ganzen Welt, aber vor allem aus Italien stehen an der Straße der Paraden Route und anerkennen das Resultat von 6 Monaten Arbeit. 

Am Ende jeder Karneval Saison wird die Jury aus bekannten Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur, Journalismus und Entertainment eine Entscheidung treffen, welcher Wagen aus den vier Kategorien jeweils der beste ist.

1. Preis 1990 (Model)
1. Preis 1990 (Model)
1. Preis 2001
1. Preis 2001
1.Preis 2002
1.Preis 2002
1. Preis 2018
1. Preis 2018
1. Preis
1. Preis

Im Museum kann man mit vielen Fotos die Geschichte verfolgen. Die Entwürfe der letzten Jahre, von denen die Wagen einen Preis gewonnen haben, sind ausgestellt. Auf dem ganzen Gelände finden sich riesige Figuren, die zu schade für die Zerstörung waren.

In den Hallen wird fleissig gewerkelt. Männer tauchen ihre Hände in Tapetenkleister aus Mehl und Wasser und klatschen Zeitungspapier auf Holz- oder Metallgestelle, die dann zum trocknen in die Sonne geschoben werden. Auf Hebebühnen wird geschweißt und Farbe verspritzt. Im Hintergrund hängen alte Wagenteile aus den letzten Jahren. 


Man kann bei manchem Wagen schon gut erkennen, was er einmal darstellen soll, auch wenn mir die einzelnen Vorkommnisse des vergangenen Jahres in Italien nicht sonderlich vertraut sind. 

Ich bewundere die Heidenarbeit, die in diesen Figuren steckt, die Begeisterung mit der gewerkelt wird, die Vielseitigkeit der Aufgaben, die diese Veranstaltung mit sich bringt. 

Hier ist sicherlich auch der Weg das Ziel.