Will You Marry Me?

Schlagartig ging ein Hagelsturm nieder, kurz bevor die Sonne unterging.

Dianne ist noch ein bisschen rumgekurvt, um die ultimative ebene Stelle zu finden und ich habe mal wieder geduscht, mit Haare waschen, was gegessen und den Abwasch erledigt. 

Ich war hier am südlichsten Punkt von Schottland.

Seit 1830 dient der Leuchtturm Seefahrern zur Orientierung.

Gerne hätte ich ihn mir am nächten Tag genauer angesehen.

Aber nachts ging es dann mit dem Wind los. Dianne parkte so, dass ich ein bisschen in ihrem Windschatten stand, aber ich konnte trotzdem nicht schlafen, weil die Dicke so geschaukelt hat.

Und dann ist mir auch noch der Saft ausgegangen und die Heizung wurde kalt.

Um 2:00 Uhr  habe ich es nicht mehr ausgehalten, Pullover über gezogen und mich vom Acker gemacht.

In den unteren Gefilden war es mit dem Wind nicht mehr so schlimm.

Strom war wieder da und ich habe direkt am Wasser gestanden und noch ein paar Stunden Schlaf gefunden.

Ich war traurig, dass ich mich von Dianne nicht verabschieden konnte, aber wecken wollte ich sie auch nicht. 

Zum Glück haben wir Nummern ausgetauscht und bleiben in Kontakt.

In einem Wäldchen habe ich meine Komposttoilette leer gemacht. Die Pflanzen werden sich freuen.

Nachdem ich gestern mehr als 17.000 Schritte getan hatte, muss heute gefahren werden. Die Batterie braucht das.

Also zwei Stunden mit Krimi auf den Ohren an der Küste entlang.

Bis nach Gretna Green.

Wer kennt den Ort nicht? Hier hat Joschka Fischer seine erste Gattin geehelicht, zahlreiche Filme, Theaterstücke und Romane habe das Örtchen zum Thema. Jane Austin, Uta Danella und die Pilcher haben das mit den minderjährigen Paaren die aus England (oder sonstwo) flohen und das erste Dorf hinter der schottischen Grenze ansteuerten, in ihren Büchern verwurstet.

Und mehr als ein Dorf ist es tatsächlich nicht.

Allerdings gehört es zu den bekanntesten Orten der Welt, weil hier ungefähr 5000 Ehen im Jahr geschlossen werden.

Mehr als 200 Jahre lang haben  englische Minderjährige eine Gesetzeslücke ausgenutzt und mit zwei Zeugen in Gretna Green geheiratet. Ohne die Erlaubnis ihrer Eltern.

Das hat nicht selten zu Skandalen und Auseinandersetzungen geführt, wenn Eltern den Kindern nachreisten, um gerade das zu verhindern.

Das Dorf liegt gleich hinter der Englisch-Schottischen Grenze.

In Gretna Green hatte sich der Schmied als Amtsperson für die Eheschließung etabliert. 

Die Hochzeiten fanden in seiner Schmiede statt und der Amboss bekam bei den dortigen Trauungen eine besondere Bedeutung. Die Trauungen wurden vor dem Amboss durchgeführt und zum Ende der Zeremonie mit einigen Hammerschlägen auf den Amboss bekräftigt.

Inzwischen gibt es drei Trauräume mit jeweils einem Amboss.

Schliesslich müssen die fast 14 Hochzeiten täglich (ohne Ferien oder Tage an denen geschlossen ist)  irgendwie abgearbeitet werden.

Das Geschäft brummt. Jetzt im Winter eher weniger,  aber das Drumherum bringt ja auch Kohle.

Es wird viel dafür getan, für den schönsten Tag im Leben.

Der Bräutigam kann stilecht im Kilt vor dem Amboss treten, die Braut kauf noch schnell das Plastik-Buquet aus China, der Fotograf sucht schon mal ein geeignetes Plätzchen für die Hochzeitsfotos.

Rosenbogen, Hufeisenbogen, Kunst, gefaltete Hände-Bogen, Gartenbank, Hügelchen mit Ausblick, Mittelpunkt vom Labyrinth oder die Wand mit den Liebesvorhängeschlössern, es bleiben keine Wünsche offen.

Hier kann man alles erwerben. Karierte Schals, Handschuhe und Mützen, Lebensmittel, Andenken, Krimskrams, alles was man für den grossen Tag braucht oder was an ihn erinnern soll.

Natürlich auch Vorhängeschlösser in rauen Mengen, in allen Farben, mit Gravur oder mit Eddingschrift, mit Glitzer oder schlicht, alles kann man hier kaufen.

Ich frage mich tatsächlich,  wohin die ganzen Schlüssel wandern?

Von der nächsten Brücke geschmissen?

Soll ich meinen Magneten rauskommen und mal fischen?

Nee, zu kalt für nasse Hände!

Kalle darf ausnahmsweise mit in den Laden und ist irritiert.

Die Kumpels sehen komisch aus, riechen eigenartig und rühren sich nicht.

Frauchen kauft Mitbringsel für die Einsatztruppe daheim und schottische Dropse für sich selber.

Die Schmiede ist schon 1887 zu einer Touristenattraktion ausgebaut worden.

Fast alle Häuser sind Andenkenschuppen, Schnellrestaurants und ein Hotel gibt es auch.

Der ganze Ort lebt von dem Theater.

Ich treffe ein Pärchen, das sein eigenes Schloss sucht, das sie vor vielen Jahren angebracht haben. Es ist verrostet und kaum noch zu lesen, aber sie freuen sich über das Wiedersehen.

Der Kirche war und ist der Heiratsapektakel natürlich ein Dorn im Auge.

Die ganze Angelegenheit bring offenbar ordentlich Kohle.

Die Anlage ist einheitlich gestrichen, alles in schwarzweiß, sehr gepflegt und sauber.

Jetzt im Winter ist kaum was los, an normalen Wochentagen, so wie heute.

Das wird am Wochenende sicher anders sein.

Der Parkplatz ist leer und man hat mir versichert, dass es niemanden stört, wenn ich über Nacht bleibe, auch wenn Verbotsschilder aufgestellt sind. 

Wie schon mal gesagt, im Winter ticken die Uhren anders.