Schiefer Soweit Das Auge Blickt

Dir Nacht war ruhig, denn gegen Mitternacht hat sich der Sturm gelegt, und für mich ungewöhnlich lang. Sonst sind es selten mehr als sechs Stunden Schlaf, heute waren es locker acht.

Hatte ich wohl nötig.


Der Parkplatz hatte sich mit Pickups vom Strassendienst gefüllt,  die wohl beim Burgerbrater frühstücken. Der Laden war nachts zu meinem Erstauen geschlossen. Deshalb war es wohl auch so ruhig dort.

Ich bin dann bald abgedüst und war erstmal tanken. Diesel und LPG Gas.

Gelandet bin ich dann auch einem Parkareal von Zip-World.



Zip-Word ist ein Freizeitvergnügen der besonderen Art. Ich habe es auf Google-Maps entdeckt.

Ein riesiger Schiefer-Tagebau-Steinbruch der noch in Betrieb ist, aber gleichzeitig auf dem bereits erschöpfen Areal ein besonderes Vergnügen bietet.


Der denkmalgeschützte Industriestandort ist in einen adrenalingeladenen Abenteuerspielplatz für Nervenkitzel-Suchende verwandelt worden.

An Drahtseilen sausen die Wahnsinnigen, in Gurten hängend, über die Abraumhalden, den türkisfarbenen See und den Wald.


Auf dem Gelände gibt es außerdem noch den unterirdischen Trampolin-Abenteuerspielplatz (Bounce Below in den Slate Caverns), oberhalb von Blaenau Ffestiniog und die einzige Rodelbahn des Vereinigten Königreichs, die durch einen Wald führt.

Ich mag es inzwischen ja eher beschaulich und widme mich den Geocaches, die ums Gelände verteilt sind und entlang der ehemaligen Eisenbahntrasse liegen.




Die Penrhyn-Steinbrüche, in denen der Schiefer in Bethesda abgebaut wurde, sind 1770 von Richard Pennant, dem 1. Baron Penrhyn, angelegt worden und waren das größte Tagebauunternehmen der Welt. Der Baron hatte das Gelände von seiner Frau geerbt.


Der Steinbruch war während der Blütezeit der Schieferindustrie in Wales von großer wirtschaftlicher Bedeutung für diese Region. 

Das Abbaugebiet bildete ein riesiges Amphirund mit einer Länge von 1,6 km und einer Tiefe von 366 m. 

Die Steinbruchbahn für den Transport der Schieferplatten, wurde zwischen 1870 und 1879 gebaut. Zuvor wurde der Schiefer aus Bethesda mit Packpferden oder Maultieren und Karren sowie mit einer 1801 gebauten Straßenbahn transportiert. Die Strecke wurde 1962 geschlossen. Sie galt als eine der ältesten Bahnstrecken der Welt.

Wo man auch hinsieht: schwarzer und blauer Schiefer. Abraumhalden so hoch, dass die Sonne nicht drüber kucken kann und soweit das Auge reicht.


Dank der hohen Qualität und Farbenvielfalt galt walisischer Schiefer als weltbestes Material zum Dachdecken. Des Weiteren diente er als Zaun- und Baumaterial für Bodenplatten, Möbel, Geschirr, verzierte Grabsteine ​​und Steinmetzarbeiten.

Der Winter bringt auch so einiges an den Tag, was wohl lieber verborgen bleiben soll. LKW-Wracks, rostige Maschinenteile und riesige Autoreifen stecken im Gebüsch fest und sind nach vielen Jahrzehnten eingewachsen.

Immer mal wieder tauchen auch Ruinen von Gebäuden auf, bzw. die noch vorhandenen Grundmauern, natürlich aus Schiefergestein.

Dir Ruine vom alten Hospital.
Dir Ruine vom alten Hospital.

Der Penrhyn-Steinbruch hat außerdem einen wichtigen Platz in der Geschichte der britischen Arbeiterbewegung. 

Die Arbeitsbedingungen im Steinbruch waren lebensgefährlich: Die Arbeiter hingen an Seilen entlang der Felswand und verwendeten Sprengstoff, um große Schieferblöcke aus dem Berg zu lösen. Sofern die Arbeiter nicht ihre Gliedmaßen oder ihr Leben verloren, bekamen viele von ihnen Staublunge durch das ständige Einatmen feinster Staubpartikel, die beim Spalten des Schiefers entstanden.

Durch den Schieferstaub lag die Lebenserwartung der Tagebauarbeiter bei durchschnittlich knapp 48 Jahren.


Die widrigen Arbeitsbedingungen und die notorisch schlechten Gehälter der Steinbrucharbeiter resultierten gegen Ende des 19. in Arbeiterkampf.

Der erste Streik, der im Jahr 1896 begann, währte elf Monate und hatte eine bessere Entlohnung und sicherere Arbeitsbedingungen als Forderung.

 Der „Große Streik“ dauerte vom 22. November 1900 bis 1903 und gilt bis heute als der längste Arbeitsrechtsstreit der britischen Geschichte. Laut Schätzungen war etwa ein Viertel der Bevölkerung in Nordwales von ihm betroffen.


Zu seiner Blütezeit beschäftigte das Unternehmen bis zu 3000 Arbeiter und Angestellte.



Mae'r gwirionedd mor glir â gwydr, wedi'i goethi yn fflamau ysbrydoliaeth
Mae'r gwirionedd mor glir â gwydr, wedi'i goethi yn fflamau ysbrydoliaeth

Übersetzung:

Die Wahrheit ist so klar wie Glas, geläutert in den Flammen der Inspiration.


Was immer das auch heissen mag.

Die Waliser jedenfalls entwickeln eine Art Nationalstolz und da ist seit dem Brexit ordentlich Bewegung rein gekommen.

In den Schieferbergen entwickelt sich auch eine eigene Flora und Fauna. Farne und Moose beherrschen das Bild. Es zeigen sich interessante Strukturen, fruchtbare Erde bildet sich erst nach und nach, Nieschenpflanzen krallen sich an den Platten fest. 

Bäume können nur sehr flach Wurzeln, weil der Stein sie aufhält. Das macht sie empfindlich gegen starke Winde und Stürme.

Und davon gab er hier in letzter Zeit reichlich.

Schiefer wird im Penrhyn-Steinbruch auch heute noch abgebaut und zu Dachschindeln verarbeitet. Der Abbau erreicht jedoch längst nicht mehr den Umfang, den er während des 19. Jahrhunderts hatte.


Dieser Tagebau war auch der erste, der elektrische Energie nutzte. Da diese Gegend sehr reich an Niederschlägen ist, konnte Wasserkraft genutzt werden. Der Luss Afon Ogwen wurde mit Wasserturbinen bestückt, die Strom erzeugen konnten.

Die ungeheure Größe des Penrhyn-Schieferbruchs lockt seit Jahrzehnten zahllose Besucher an. Besonders beliebt bei viktorianischen Adrenalinjunkies waren die halsbrecherischen Talfahrten in den offenen Hunden, den Transportloren für die Schieferplatten. 

Heute sind die Förderkarren durch Quads oder Trikes ersetzt, aber man kann immer noch an Stahlseile angehängt durch den Krater des ehemaligen Steinbruchs schwirren.

Nach meiner Wanderung musste Stärkung her.

Das Zip-World hat ein Café mit einer netten Bedienung, die mir auch gleich auf Nachfrage einen guten Tipp gab, wo ich übernachten könnte.

Das Gelände des Steinbruchs wird abends zugesperrt und vom Eingesperrtsein hatte ich ja vorläufig genug. 


Sie wohnt in einem Nachbarort und da gibt es eine Strasse am Ortsrand, in der sowieso immer Wohnmobile der Anwohner stehen.

Guter Rat.

Ich bin da hin und falle gar nicht auf. Ob noch eines mehr oder weniger hier steht,  ist egal.


Fundstück Des Tages

Ein Paar echte Harry Potter Kinder-Handschuhe, ziemlich verdreckt, aber made in UK, dürfen mal ein paar Stunden in Seifenlauge in meinem Waschbecken dümpelt.


Eines meiner Enkelkinder darf sich freuen.