Ein Schiff wird kommen...oder auch nicht!

Es ist ein Unterschied ob man sanft in den Schlaf gewiegt oder alle paar Minuten aufgerüttelt wird, weil der Wagen so schaukelt. 

Der Sturm ist ordentlich und immer wieder prasselt auch Hagel und Regen aufs Dach. 

Ich habe also nicht besonders viel geschlafen. 

Welch eine Freude, als mich am heutigen Morgen die Sonne begrüßt!



Mein erstes Ziel ist die kleine Kirche in Ferring. 

Die romanische Dorfkirche liegt bei Bovbjerg Klint am Rande der Nordsee.


Der Turm hat Giebel, die nach nordwestjütländischem Brauch nach Norden / Süden drehen, um den starken Wind leichter über das Dach gleiten zu lassen, ohne Schaden zu verursachen.


Die Kirche von Ferring hat an der Nordwand des Langhauses ein großes Fresko von 1200. Das heißt, das Fresko wurde einige Jahre nach dem Bau (ca 1100 n. C.) der Kirche gemalt.


Die romanischen Fresken zeigen Szenen aus der Kindheitsgeschichte und dem Leben Jesu. Sie wurden mit englischen Manuskriptillustrationen verglichen und sind ein Beispiel für den englischen kulturellen Einfluss im frühen Mittelalter in Westjütland

Ich fahre ein Stück weiter und besuche das 'Strandingsmuseum St. George'. 

Strandings hat nichts mit Dingsbums am Strand zu tun (oder vielleicht doch? 🤔), sondern rührt vom Wort 'gestrandet' her. 



Thorsminde ist ein kleines Fischerdorf direkt an der Nordsee. In seiner wechselvolle Geschichte hat dieser Ort viele Schiffsunglücke direkt vor der Haustür miterleben müssen. 


Die Sandbänke sind tückisch, die Wellen bei Sturm meterhoch.


Seit Jahrhunderten ist die Nordsee eines der verkehrsreichsten Gewässer und Navigation in der Nordsee ist extrem schwierig. Unvorhersehbare Meeresströmungen und heftige Weststürme konnten leicht ein Schiff vom Kurs abbringen und es gegen die harten Sandbanken der Westküste werfen, wo Strandung und Zerstörung fast unvermeidlich waren. 

Die Seeleute nannten auch die Westküste 'Eisenküste'. 

Bis Mitte des 20 Jahrhunderts waren die Navigationsinstrumente recht ungenau, also war die Erfahrung des Kapitäns entscheidend. 

Das Museum
Das Museum

Und dann begebe ich mich unter Deck eines Schiffes. 

Zu Zeiten der Segelschiffe konnten die Seefahrer auf dem Schiff im Laderaum stehen. 

Von Gütern aus der ganzen Welt umgeben, werkelten sie im Laderaum, während das Schiff um sie herum schwankte und die jüdländische Küste langsam im Osten vorbeizog. 


Auf der Nordsee war es wichtig, nicht zu nah an die jüdländische Westküste zu gelangen denn es gab dort keinen Hafen, keine windgeschützte Stelle und keinen Ankerplatz. Gelangte man in das flache Wasser der Küste, konnte man nur noch Schiffbruch und Tod erwarten. 

Die Strandungen an der Westküste ereigneten sich besonders wenn es von Westen her stürmte oder wenn der Nebel so dicht war, dass die Seeleute nicht sehen konnten. 

Wenn der Sturm tobte und die Seeleute nicht von der Küste loskommen konnten, sollten die richtigen Entscheidungen sehr schnell getroffen werden. 

Die Segel wurden zerrissen und das Schiff wurde gegen die harten Wellen geworfen. Die Besatzung warf Ladung über Bord um das Schiff leichter zu machen. So hofften sie, die Sandbänke zu überwinden und nicht näher an die Küste zu geraten. 

Die Seeleute riefen und läuteten die Schiffsglocke, als Hilferuf im Sturm. 

 Die Einwohner der Küste hielten Strandwache. 

Leider war die Rettung oft unmöglich. Mit dem Verschwinden des Sturms kamen stille Tage mit aufräumen und Beerdigungen. 

Mit Projektoren und Windmaschinen wird im Museum ein Sturm simuliert und es ist richtig unheimlich an der Reling zu stehen und zu sehen wie hoch die Wellen sind. 

Fast habe ich das Gefühl tatsächlich auf einem schlingernden Schiff und unebenen Planken zu stehen. Tausende Seeleute haben im Laufe der Zeit bei Strandungen an der Westküste Jütlands ihr Leben verloren. 


Die größte Katastrophe fand in der Weihnachtsnacht 1811 vor Thorsminde statt. 

An Weihnachten! 

Das sind die Namen der Ertrunkenen der zwei Schiffsunglücke, wobei man davon ausgeht, dass noch zahlreiche Zivilisten, Frauen und Kinder an Bord waren. Unten die 17 Namen der Überlebenden.
Das sind die Namen der Ertrunkenen der zwei Schiffsunglücke, wobei man davon ausgeht, dass noch zahlreiche Zivilisten, Frauen und Kinder an Bord waren. Unten die 17 Namen der Überlebenden.

Mehrere englische Linienschiffe befanden sich auf dem Weg von der Ostsee nach England darunter die HMS ST Georg und HMS Defense.

Ein Organ tobte aus Nordwesten über das Meer und brachte die Schiffe vom Kurs ab. 

Am frühen Morgen strandeten beide Schiffe. 

Rettungsboote gab es damals noch nicht, als die Schiffe zerschmettert.


Deshalb ertranken fast alle Insassen.

Nur 17 von 1300 Menschen an Bord erreichten die Küste lebend. 


Die MS ST Georg wurde 1785 in den Dogs von Postmouth vom Stapel gelassen. Es war mit 98 Kanonen auf drei Decks bestückt. Das prächtige Schiff wurde 1810 das Flaggschiff der Ostseeflotte, 


Bei zwei Grabungen in den 1980er und 1990er Jahren bargen ortsansässige Taucher des Nationalmuseums und des Ringkorbing Museums mehr als 4000 Gegenstände aus dem Banja Deck der ST Georg. 

Diese Gegenstände gehören heute zu einer der weltweit besten Sammlungen von Alltagsgegenständen eines britischen Linienschiffs am Beginn des 19 Jahrhunderts. 

Die gefundenen Kanonen der St. George
Die gefundenen Kanonen der St. George

Wenn man im Museum bestimmte Gegenstände berührt erscheinen Bilder oder erklingt entsprechende Geräusche. So ist es ein Leichtes, sich vorzustellen, wie das Leben auf so einem Kahn ablief. 



Die Taucher bargen auch andere wertvolle Gegenstände. 

Einige davon waren auch nach 200 Jahren noch unversehrten in Kisten verpackt. 


Diese Gegenstände stammen vermutlich aus dem Lagerraum der Offiziere. 

Fundstücke
Fundstücke

Auf der St Georg leisteten über 700 Offiziere, Soldaten und Seemänner ihren Dienst. Jeder hatte seinen festen Platz in der Hierarchie, mit klar abgegrenzten Pflichten. Die Hierarchie manifestierte sich physisch in der räumlichen Aufteilung des Schiffs, bei der Nahrung und den Mahlzeiten, dem Geschirr und der Kleidung.


 

Ausrüstung des Steward
Ausrüstung des Steward

Der Stewart war der Kaufmann des Schiffs. Er nahm Nahrungsmittel, Wein und Spirituosen aus den Proviantspeichern der Marine entgegen oder kaufte Nachschub in fremden Häfen ein.  

Er teilte Hängematten und Bettwäsche aus und verkaufte Kleidung, Schuhe und Tabak an die Seeleute. 

Alles wurde sorgfältig im Geschäftsbuch notiert und die Ausgaben wurden später vom Lohn des Einzelnen abgezogen.


Das Ruder ragt über alle Stockwerke.
Das Ruder ragt über alle Stockwerke.

Die ST George hat ihr Ruder verloren. 


Ein riesiges Holzteil, was im Museum ausgestellt ist und über alle drei Stockwerke reicht. 

Es ist enorm was hier geleistet worden ist, um dieses Teil zu konservieren und den Besuchern zu zeigen.

Der Raum ist klimatisiert und mit Luft essen ausgestattet. 

Das Museum ist quasi um dieses Ruder herum gebaut. Der Turm, der es beherbergt ist der zentrale Raum. 

Von oben gibt es eine gigantische Aussicht. 

Ein Pfeifenkopf
Ein Pfeifenkopf

An der Nordsee gab es zahlreiche Strandungen, die heutzutage erschreckend wirken und zugleich eine seltsame Faszination ausüben. 


Vermutlich nicht immer zufällig. 

Manchmal sicherlich auch durch falsche Signale provoziert, war es doch ein einträgliches Geschäft. 

Darüber wird aber nicht geredet. 

Das waren vermutlich auch immer nur die Anderen. 



Die Küstenbewohner haben immer mit dieser Mischung aus Angst und Dankbarkeit gelebt. 

Angst vor dem, was das Meer ihnen wegnimmt und Dankbarkeit für das was es ihnen gibt. 

Strandete ein Schiff, ließ man die alltägliche Arbeit liegen und eine gut organisierte Zusammenarbeit zwischen den Küstenbewohnern und den öffentlichen Stellen setzte ein. 


Dies geschah nicht nur aufgrund der Aussicht auf finanziellen Gewinn und willkommene Ressourcen, sondern auch, damit die Schiffsbrüchigen die schnellste und bestmögliche Hilfe erhalten konnten. 

Die Fremden Seefahrer und vielfältigen Landungen vermittelten ein Hauch der großen weiten Welt. 

Das hat zweifellos das Leben an der Küste geprägt. 

Auf einer Tafel kann man mit dem Finger entlangfahren und eine Karte untersuchen auf der verschiedene Schiffswracks verzeichnet sind. 

Ab dem Ende des 19 Jahrhunderts patroulierten die Strandwache von September bis Mai vom Einbruch der Dunkelheit bis zum Morgengrauen.


Lief ein Schiff auf stellte die Strandwache ein Blaulicht in den Sand. 

Dies war das Signal für die Schiffsbesatzung, dass man ihre Seenot entdeckt hat und versuchen würde zu helfen. 

Danach alarmierte die Wache die Rettungsmannschaft. 

Der Kampf gegen das Meer und den Tod konnte beginnen.


Die blaue Lampe
Die blaue Lampe

Der ganze Museumsraum wirkt wie ein Schiffsinneres. 

Während der Ausgrabung in den 1980er Jahren fanden die Taucher mehr als 300 Flaschen, die Etiketten waren längst aufgelöst, so dass man den Inhalt nur erraten konnte. 


Vielleicht befand sich in einigen der französischen Flaschen Cognac oder Calvados. 

Die Dogge des Kapitäns. 

Als sein Schiff auf Sand lief, war die Mannschaft angewiesen, die Dogge des Kaoitäns mit ihren Welpen als erstes im Korb an Land zu retten.


Eine Strandung war immer ein dramatisches Ereignis, das von vielen Leuten sofortiges Handeln forderte.


Die Schiffbrüchigen müssen gerettet werden, Schiff und Güter müssen geborgen werden. 

Früher hatten die Strandungen große finanzielle und praktische Bedeutung für die Einwohner an der Küste und dem Land hinter den Dünen. 


Besonders der Strandhauptmann und die Berger der Bergungszunft konnten an einer Strandung ein gutes Stück Geld verdienen und bei den Strandungsversteigerungen konnten die Einheimischen sich mit einer großen Auswahl von Waren versehen.


Eine gute Strandung bedeutet das Geld und Waren im Umlauf gesetzt wurden, was einer ganzen Region nützte. 

Der Arzt an Bord war für die Gesundheit der Soldaten und Seeleute verantwortlich.

Krankheiten konnten Kriege entscheiden. Deshalb achtete er auf Hygiene und operierte auch schon mal an Bord. 

Hosenboje zur Rettung per Seilverbindung
Hosenboje zur Rettung per Seilverbindung
Mit einer kleinen Rakete wurde ein Seit auf das Schiff geschossen, straff gespannt und dann Mann für Mann mit der Rettungshose von Bord geholt.
Hätte sich das Wetter später beruhigt, würde das Schiff entladen und auch häufig zerlegt. 
Im Museum waren Bänke aus dem Holz der St. George aufgestellt. 

Ich muss noch was einkaufen und fahre eine lange Strecke direkt hinter dem Deich Richtung Süden. 

Es herrscht ein ganzes eigentümliches Licht. Da bekommt man richtig Lust zu malen.


Ein letzter Blick in eine der Seitenstraße auf die untergehenden Sonne. 


Letztendlich lande ich auf einem verlassenen Flughafen mit Museum. 

Das Museum ist geschlossen und hier ist niemand. 

Es führt auch keine Durchgangsstrasse vorbei und ich bin quasi unsichtbar. 

So mag ich das. 

Immer an der Küste lang
Immer an der Küste lang