Gersthofen, Metropole der Ballonfahrt

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Vor 50 Tagen habe ich das erste Mal in Schweden übernachtet.

Heute bin ich auf dem Parkplatz von IKEA aufgewacht. 

Die Zeit ist irgendwie so schnell vergangen. Gleichzeitig erinnere ich mich an all die Sachen, die ich erlebt habe und finde, dass es eine lange Reisezeit war.

Letters Jahr nochmal 30 Tage länger. 

Zeit ist wirklich relativ und abhängig von der Wahrnehmung. 

Oft weiss ich nicht welcher Wochentag ist, oder gar das Datum. 

Morgens muss ich einen Moment überlegen, um mich zu erinnern, in welcher Stadt ich gerade bin. 

Spielt irgendwie keine Rolle.

Ich bin ganz bei mir. 

Heute. 

Hier. 

Jetzt. 


Wann immer ich nach Gersthofen gefahren bin, um meine lieben und langjährigen Freunde Ursula und Norbert zu besuchen, bin ich auf der Bundesstraße auch immer an grossen Hinweisschildern zum Ballonmuseum vorbei gefahren und habe immer gedacht, dass ich da mal hin müsste.


Heute war es dann soweit. 


Ich habe nicht gewusst, dass Augsburg und speziell der doch recht kleine Vorort Gersthofen quasi der Nabel der Ballonfahrerwelt ist. 


Hier ist praktisch die Wiege der Ballonfahrerei. 


Es gibt eine Ballonfabrik, die 1897 von Kommerzienrat August Riedinger gegründet wurde und die den Bau von Drachenballonen, die auf dem Konstruktionsprinzip von August von Parseval und Hans Bartsch von Sigsfeld berühmten übernahm.


Bedingt durch die große Nachfrage vor allem des Militärs wurde das Unternehmen bis zum Ersten Weltkrieg Weltmarktführer im Bau von Ballonen. 

Zu dieser Zeit beschäftigte der Betrieb bis zu 800 Mitarbeiter.


Bis in die 1950er Jahre wurden vorwiegend Freiluftballone gebaut. Zuletzt wurden in der Ballonfabrik vor allem Rettungs- und Sicherheitsausrüstung für Wasser- und Luftfahrzeuge, Schutzkleidung für Rettungsdienste und Gasspeicherballone für die Industrie hergestellt. Im April 2008 wurde das Unternehmen von der Deutschen Schlauchboot, einer Tochtergesellschaft der nordirischen Survitec, übernommen.





Sieht bescheuert aus, war aber lebensrettend
Sieht bescheuert aus, war aber lebensrettend

Am 27. Mai 1931 startete der Schweizer Physiker Auguste Piccard vom Gelände der Fabrik aus zu einem Ballon-Höhenrekord. 

Er erreichte mit einem Stratosphärenballon eine Höhe von 15.781 Metern.

Innerhalb von 25 Minuten hatten sie diese Höhe erreicht. 

Der Flug sollte eigentlich nur wenige Stunden dauern, aber da die Leine zur Öffnung des Gasventils gerissen war, mussten sie warten, bis das Sinken der Temperatur zur Nacht das Gas von alleine abkühlen ließ und der Ballon von selber sank. 

Sie mussten fast 24 Stunden in ihrer Kapsel ausharren, bis diese notlanden konnte.

Die Notlandung erfolgte am Gurgler Ferner, ein Berg in Obergurgl {Österreich}. 

Ein 1989 in Obergurgl errichtetes Denkmal erinnert daran.

Allerdings war der Aufprall wohl etwas unsanft und die kugelige Kapsel kollerte noch gut 50 Meter weiter den Berg hinunter. 

Um sich vor Verletzungen zu schützen, bastelten die beiden Wissenschaftler Helme aus Brotkörben. Sic! 

{Siehe Foto} 

Wieso sie Brotkörbe in der Kapsel mitführten, ist mir zwar ein Rätsel, aber funktioniert hat dieses DIY jedenfalls prima. 

Beide entstiegen der Kapsel unverletzt. 

Käthe Paulus
Käthe Paulus

Zu meinem Erstaunen spielten Frauen in der Ballonfahrt eine richtig grosse Rolle.

Sehr ungewöhnlich für die damalige Zeit. Es waren hauptsächlich Lebensgefährtinnen, Ehefrauen oder andere weibliche Verwandte von Ballonfahrern oder - Entwicklern, die wagemutig die Ballons ausprobieren, die die Männer entworfen und gebaut hatten.


Allen voran Käthe Paulus. 

Käthe Paulus (1868-1935) war

Schneiderin und erste deutsche Fallschirmfabrikantin berühmter deutscher Berufsballonpiloten.


Zwischen 1893 und 1914 stieg Käthe Paulus über 500 Mal mit dem Ballon auf und sprang mehr als 140 Mal mit dem Fallschirm ab. 

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges widmete sie sich der Herstellung und technischen Verbesserung von Fallschirmen für das deutsche Militär. 


Am 21 juni 1889 sah die 19-Jährige Schneiderin Katharina Paulus einen Fallschirmabsprung des Berufsballonpiloten Hermann Lattemann zu. 

Fasziniert von der Luftfahrt wurde Käthe Paulus seine Assistentin und die Lebensgefährtin Lattemanns. 1893 führte sie erstmals selbst ein Ballon, kurze Zeit später sprang sie zum ersten Mal mit einem Fallschirm ab.


Ende des 19 Jahrhunderts gehörte sie zu den wagemutigsten Fallschirmspringern. 

Lattemann verunglückte am 17. Juni 1894 tödlich bei einem Ballon Aufstieg. 

Nach seinem Tod führte Käthe Paulus das Geschäft alleine weiter. 

Ihr Beruf brachte sie in alle großen europäischen Städte. 

Ihre besondere Attraktion war der sogenannte Doppelabsturz: mit einem Fallschirm springt sie aus dem Ballon ab. Nachdem sich dieser Schirm geöffnet hatte, warf sie ihn ab und befand sich erneut in freiem Fall. 

Sodann zog sie einen zweiten Fallschirm mit dem sie sicher zu Boden schwebte.

Das Ballonmuseum Gersthofen ist das älteste Ballonmuseum der Welt und gehört zu den großen deutschen Technikmuseen in rein kommunaler Trägerschaft.


Seinen Grundstock bildet die Aeronautiksammlung des Augsburger Ballonfahrers Alfred Eckert.


Zunächst im ehemaligen Gersthofer Wasserturm eingerichtet, wurde es 2003 um einen Neubau erweitert. Der Neubau und der Wasserturm wurden durch ein Untergeschoss miteinander verbunden. Zusammen mit der angeschlossenen Stadtbibliothek bildet das Ballonmuseum ein lebendiges Kulturzentrum in Gersthofen.



Das ist aber längst nicht alles. 


Der Maler Paul Klee hat in Gersthofen den Hauptteil seiner Werke gefertigt...



Aber das ist eine andere Geschichte.