Die Reifenhandlung des Grauens
Die Reifenhandlung des Grauens

Als ich heute morgen wach werde, weiss ich, dass ich die Nase voll vom Warten habe und in Aktion treten will.


Ich packe also zusammen, löse die elektrische Nabelschnur und mache mich auf den Weg zu dem Reifenladen. Eine Tanke ist dort auch angeschlossen. 

Ich fahre vor, stelle die Dicke neben der Zapfsäule ab und gehe ins Büro. Irgendjemand ruft was auf Griechisch, ich fühle mich aber nicht angesprochen. Als ich nachfrage, was mit meinen Reifen ist und mich kurz umdrehe, sehe ich, dass die Dicke weg ist. Ich flitzen raus und traue meinen Augen kaum. Ein Mitarbeiter der Tanke ist in mein Auto gestiegen und hat meinen Wagen ein Stück weiter vor einem LKW abstellt!

Ohne zu fragen! Ohne meine Einwilligung! 

Und Kalle hat natürlich kläglich versagt, das vierbeinige Weichei! An die Gurgel hätte er dem Frevler springen müssen! Ich hätte kein Mitleid gehabt! 

Ich habe angefangen zu schimpfen und Zeter und Mordio zu schreien und immer wieder das Wort 'Polizei' einfließen lassen, um meiner Empörung Luft zu machen. Die Dicke entführt, entehrt, besudelt und genötigt! Ich glaub jetzt hackts!

Mir war schnurzpiepe, dass der Mitarbeiter von einem anderen, wohl der Chef, lautstark darauf hingewiesen wurde, dass ich Kundin sei... klang jedenfalls so... Ich bin in mein Baby gestiegen und weg waren wir beide von diesen grässlichen Menschen.


Sollen sie sich doch ihre Michelin Schlappen sonstwo hinstecken! 

Mich haben sie als Kundin vergrault.


Eine gepfefferte Bewertung bei Google habe ich natürlich auch geschrieben.

Geht ja gar nicht! 

Dann bin ich erstmal zu Lidl. 

Vertrautes Terrain! 

Ein paar Kleinigkeiten eingekauft und mich wieder abgeregt. 

Direkt vor meiner Nase hat ein älterer Herr eingeparkt und dabei den Pickup neben ihm gerammt, dass die Scherben nur so flogen. Die hat er dann aufgesammelt und ist einkaufen gegangen, ohne seinem Nebenmann Bescheid zu sagen. 

Ok, waren beides schrottige Karren, aber trotzdem. 

Rauhe Sitten hier. 

I'm Hintergrund die Festung von Rethymno
I'm Hintergrund die Festung von Rethymno

Dann habe ich mir einen anderen Reifen Händler rausgesucht und bin in Rethymno fündig geworden. 

Dort angerufen, mit Maria, die Englisch spricht telefoniert. Sie haben sofort zurück gerufen, sich gekümmert, mich total freundlich behandelt, mir eine Parkmöglichkeit frei gemacht und mich ein- und wieder ausgewiesen in einer sehr engen Straße. Jetzt stehe ich in der Nähe ihrer Zweigstelle und morgen werden sie mir hoffentlich gute Nachrichten bringen. 

Rechts von dem Schornstein, hinter dem Gebäude steht die Dicke
Rechts von dem Schornstein, hinter dem Gebäude steht die Dicke

Mein Übernachtungsplatz ist nicht grad der schönste, aber immerhin am tosenden Meer. 

Die Wellen sind meterhoch und klatschen an die Uferbefestigung. Dabei schaufeln sie Müll vor sich her und werfen ihn an Land. Es ist der Parkplatz einer verlassenen Fabrik mit einem grossen Schornstein. Ein richtiger Lost Place.

Blick aus meinem Fenster
Blick aus meinem Fenster
Ein bisschen die Straße runter steht eine orthodoxische Kirche
Ein bisschen die Straße runter steht eine orthodoxische Kirche

Ich bin mit Kalle noch ein paar Kilometer durch diesen Teil von Rethymno geschlendert, als es mal nicht in Strömen geregnet hat.

Dabei sind wir auch an dieser Kirche vorbei gekommen. Innen hört man weder die Wellen, obwohl das Wasser bis auf den umlaufenden Fusseeg schwappt, noch den Verkehrslärm. Es ist ganz still, riecht nach Weihrauch und Kerzenwachs. Alle Kirchen, die ich bisher gesehen habe, waren sehr gepflegt. Der Innenraum ist wunderschön, auch wenn die Heiligenbilder durch den ständigen Qualm der Kerzen sehr leiden. 

Innenraum mit Kronleuchter
Innenraum mit Kronleuchter
Friedhof
Friedhof

Ich gehe gerne auf Friedhöfe. An den Namen kann man häufig die wichtigsten Familien des Ortes erkennen. Leider kann ich die Griechischen Buchstaben nicht lesen, aber die Daten geben auch interessanten Aufschluss. Es sind hier sehr viele junge Leute begraben, wobei 'begraben' eigentlich nicht der richtige Ausdruck ist. Die riesigen Marmorgräber sind eigentlich Deckel, die zu unterirdischen Katakomben führen, in denen die Särge abgestellt werden. Die Grabmale stehen dicht an dich und es scheint so, als wären auf diesem Gottesacker keine Kapazitäten mehr frei. Bei jeder Beerdigungsstelle sind Bilder aufgestellt, die natürlich auch immer einen Spiegel der Zeit zeigen, in der der Verstorbene gelebt hat. 

Der Wind ist eiskalt und ich habe das erste Mal Strumpfhosen unter gezogen und die Jacke mit Innenfutter genommen. 

Das WoMo wackelt, obwohl ich es schon mit der Poposeite zum Meer hin gestellt habe. Vom Bett aus kann ich die riesigen Wellen sehen. Der Wind pfeift durch alle Ritzen und heute müssen wieder die Wärmflaschen ran. 


Jetzt bin ich bereits einen Monat unterwegs und es ist nach wie vor toll. Zugegeben, das Wetter könnte besser sein, aber das entscheiden wir ja zum Glück nicht.