Schnee auf den Bergen
Schnee auf den Bergen

Die Nacht war kurz und nervig, weil wohl alle Katzen dieses Viertels um die Dicke rumgeturnt sind und Kalle drinnen im Dreieck gesprungen ist. Sonst nicht gerade der Wachhund, aber bei Katzen dreht er hohl!

Also vom Bett ans Steuer. Kilometer im Schlafanzug. Wer kann das schon?

Es geht durch zahlreiche Tunnel, die eher Bergwerksstollen gleichen und gar nicht oder kaum beleuchtet sind. 

Egal wo ich hinkommen, die Leute fahren wie die Henker. Wieder überholt mich einer, schert knapp ein und ich muss in die Eisen gehen! Doch was sehen meine entzückten Augen? Bei der nächsten Gelegenheit überholt mich ein Polizeiauto mit Lalülala und Blaulicht - ebenso knapp wie der Vorausfahrer - und winkt den Typen raus. Was habe ich gefeixt, gekrischen, gelacht und gejubelt! Schadenfreude ich doch die beste Freude! 



Insel St. Stefan in Montenegro
Insel St. Stefan in Montenegro

Ich bin auf dem Weg nach Ada. Das ist eine Insel in der Mündung des Bojana, der vom Skutarisee runter in die Adria geflossen kommt.

Als die Länder noch Jugoslawien hießen, war ich schon mal hier. Sogar zwei Mal. Einmal so ca. 1976. Ich hatte gerade meine erste feste Stelle in einem Kinderladen angetreten - damals in Berlin die revolutionäre Alternative zu städtischen Kindergärten, selbst organisiert und finanziert von den Eltern, und bezog regelmäßig Gehalt. Von meinen Eltern kannte ich es nicht anders, dass im Urlaub kein Camping anstand. Also habe ich meine erste Pauschalreisen gebucht. TUI hatte da eine kleine FKK-Insel (Nein, ich zeige keine alten Bilder😜!) in Jugoslawien im Angebot. Flug und kleines Häuschen mit Meerblick für 14 Tage. 

Vom Flughafen Dubrovnik wurden wir - von einer netten Reiseleiter begleitet, deren Namen ich vergessen habe - mit einem Bus zu den jeweiligen Hotels gekarrt, wie es auch heute noch üblich ist. Nur war die Straße, auf der ich heute mit meiner Dicken gemütlich langgegondelt bin nicht so ausgebaut wie heute. Sie schlängelte sich kurvenreich die Berge rauf und wieder runter und einige hatten Mühe, ihre Mahlzeiten bei sich zu behalten. Mülltüten wurden kurzerhand aus der offenen Tür des Busses gepfeffert und ich kann mich noch genau erinnern, dass mir das damals schon sauer aufgestoßen ist. 'Das machen hier alle so', war die lapidar Bemerkung der Reiseleiter dazu. 

Eine abenteuerliche Busfahrt und wehe, es kam ein Fahrzeug entgegen! 

An der Insel angekommen würden wir auf eine Fähre geladen und über den Bojana geschaukelt. Drüben ging es dann mit Kleinbussen weiter. 

Heute gibt es eine Brücke. 



Der Bojana fließt in die Adria.
Der Bojana fließt in die Adria.

Mir wurde ein Häuschen zugewiesen, das nur aus Dach bestand. Unten eine Art Wohnraum und ein Bad, auf einer Galerie ein Bett. Die Sonne knallte drauf und es ähnelte einem Brutkasten. Von Meerblick konnte keine Rede sein. Ich war auf 180. Diese Häuschen gibt es immernoch. 

I'm Hintergrund die Häuschen inzwischen verfallen
I'm Hintergrund die Häuschen inzwischen verfallen

Ich bin zurück in die Rezeption und habe einen Aufstand gemacht. Nach vielem Hin und Her, bekam ich endlich ein Zimmer in der ersten Reihe mit großem Balkon mit Meerblick und der Angestellte tat so, als hätte er wunderweisswas gut bei mir. Er stand auch prompt am nächsten Abend unter meinem Balkon.... 

Das war das Haus, in dem ich das Zimmer oben rechts hatte. Der Balkon und die Zugangstreppe fehlt und es ist total eingewachsen.
Das war das Haus, in dem ich das Zimmer oben rechts hatte. Der Balkon und die Zugangstreppe fehlt und es ist total eingewachsen.

Ich hatte für jeden Tag der zwei Wochen ein anderes Outfit eingepackt, einschliesslich Makeup, Nagellack und passenden Kronjuwelen. Und des Nachts heulten die Kellner unter meinem Balkon, denn ich war auch mal jung und hübsch und 1976 genau 22 Jahre alt. Abends zur Dinner Zeit hatte ich dann immer meinen Auftritt. Tagsüber war ja 'ohne alles' angesagt. Nur im kleinen Kaufladen musste man wenigstens untenrum bekleidet sein.


Wenn man am Strand spazieren ging, musste man aufpassen, nicht die Grenze zu überschreiten. Die Schilder waren absichtlich gut versteckt. In den Sträuchern hocken Soldaten. Die Hälfte der Insel gehörte zu Albanien und dorthin war die Einreise verboten. Erst recht ohne Papiere. Aber fass einer nackerten Frau mal in die Tasche!

Die Soldaten spielten Karten in voller Montour und wenn die Grenze überschritten wurde, kamen sie mit Decken (um die Blössen zu bedecken) und Gewehren bewaffnet, um die Nackedeis einzufangen. Da hiess es dann die Beine in die Hand nehmen und den ungeordneten Rückzug antreten. Diese Armeeangehörigen hatten mit ihrer schweren Stiefeln und der Ausrüstung natürlich nur wenig Chancen gegen flinke Barfüssler, aber es war für alle Beteiligten ein spannendes Spiel. Manchmal gewannen auch die Soldaten den Wettlauf und das hiess längerer Aufenthalt in einer Arrestzelle, Lösegeldzahlung und Ausweisung. Das konnte dauern. 

Der kleine Markt
Der kleine Markt
Hintere Gebäude, letztes Appartement unten links
Hintere Gebäude, letztes Appartement unten links

1988 war ich das zweite Mal auf Ada. Und da gab es bereits die Brücke. Diesmal mit Mann und zwei Kindern. G. war 7 Jahre alt und aus der ersten Ehe meines Mannes. I.-M. war erst wenige Monate alt und ein Säugling. Ich habe zu der Zeit noch voll gestillt und musste immer aufpassen, dass bei der Wärme und der Sonne die Milch nicht aus vollen Rohren.... Am Strand und nackich gar nicht so leicht. 

Das ehemalige Restaurant
Das ehemalige Restaurant

Heute ist die Insel verlassen. Alle Schranken sind unten. Es laufen streunende Hunde auf dem Gelände rum. Die Häuser sind weitestgehends zerstört. Alles brauchbare Inventar entfernt oder zerschlagen. Ein trostlosen Anblick. Das muss schon vor Corona bergab gegangen sein. Ein paar Handwerker habe ich gesehen, einen Angler und eine Dame, die im Kaufladen zu tun hatte. Wirklich schade.


Die Brücke über den Bojana
Die Brücke über den Bojana

1976 und auch noch 1988 gab es hier keine Hütten. Man könnte am Ufer entlang gehen und ich habe hier das erste Mal Schildkröten in freier Wildbahn gesehen. Das Ufer war mit Feigenbäumen bewachsen und ich habe sie frisch vom Baum weg gegessen. Unvergleichlich!

Heute habe ich unterwegs Früchte gekauft und eine Art Blätterteig mit Schafskäse Füllung. 

Aber auch hier, am südlichsten Zipfel von Montenegro gibt es einen Cache!
Aber auch hier, am südlichsten Zipfel von Montenegro gibt es einen Cache!
Vier Sharons, vier Mandarinen, eine Kette mit getrockneten Feigen 3 Euro. Ein Blätterteig-Käsegebäck 1.30 Euro
Vier Sharons, vier Mandarinen, eine Kette mit getrockneten Feigen 3 Euro. Ein Blätterteig-Käsegebäck 1.30 Euro

Ich habe das Gebäck zwei Mal gekauft. Als ich beim ersten Mal zum Wagen zurück kam, wühlte eine Bettlerin in den Müllkontainern, die dort standen. Der habe ich meine erste Tüte gegeben, auch wenn sie lieber Bares gehabt hätte. 

Mit meinem Nummernschild Falle ich hier in Albanien gar nicht auf. Hier haben alle Fahrzeuge AA, so wie ich.
Mit meinem Nummernschild Falle ich hier in Albanien gar nicht auf. Hier haben alle Fahrzeuge AA, so wie ich.
Sonnenuntergang in Tirana vom Hotelparkplatz aus
Sonnenuntergang in Tirana vom Hotelparkplatz aus

Nachdem ich mich in Albanien in einem nicht EU-Land befinde, genau wie in Montenegro laufen Beitrittsverhandlungen, ist mein Kostenramen für Internet mit dem Handy längst gesprengt. Sie haben mir bereits gestern den Hahn abgedreht. Auf was man alles achten muss! 😳🙄

Nach langen Telefonaten wurde es endlich wieder frei geschaltet, aber das ist natürlich kostspielig. 

Also habe ich mir am späten Nachmittag eine Möglichkeit gesucht, ein Wi-Fi anzuzapfen und bin kurz entschlossen in eine Hotel Anlage eingebogen. Hotel Palma ist leer aber freundlich. Ich habe einen Latte getrunken und dann gecheckt, wo ich eigentlich bin, um festzustellen, dass das Hotel einen grossen, leeren Parkplatz hinter dem Haus hat. Also frisch gefragt und für 5 Euro kann ich bleiben und habe Netz!

Ich hätte auch morgen im Hotel gefrühstückt, aber sie bieten gar keines an. Keine Leute. 


Hatte ich schon gesagt, dass ich Höhenangst habe?
Hatte ich schon gesagt, dass ich Höhenangst habe?

Und dann hat mich irgendwie der Teufel geritten. Das Hotel grenzt an den Flughafen von Tirana und genau da, also auf der entgegengesetzten Seite gibt es einen Cache. Es wird zwar schon langsam dunkel, aber der Hund muss auch raus und ich habe meine 10.000 Schritte auch noch nicht gemacht. Taschenlampe, Hundeleine, Kugelschreiber und los.

Jetzt muss man wissen, dass es hier keine Bürgersteige gibt, dass alle Auto fahren wie die Irren, dass es bereits dunkel wurde und der Cache einen ordentlichen Fussmarsch weg liegt. Soviel zu den Rahmenbedingungen.

Ich bin also los und irgendwann ging es nicht mehr weiter. Eine Fahrzeugbrücke über einem reissenden Fluss, über die die mutigsten (oder wahnsinnigsten?) Autofahrer mit grosser Bugwelle und bis zu den Türen im Wasser durchrauschten machte meinem Plan einen Strich durch die Rechnung. 

Aber das war nichts für meiner einer. 

Ich habe dann nach einer Alternative gesucht und diese Fussgängerbrücke gefunden. Wie ich da rüber gekommen bin? Fragt nicht. Den Blick fest auf das Ziel, nur nicht runter kucken (reissender Fluss), nur die Brücke nicht so genau ankucken (ziemlich marode und glipschig von Nässe und Blättern), nur das Geländer nicht zu fest packen aber auch auf keinen Fall loslassen... 

Flughafen Tirana
Flughafen Tirana

Und dann eine schmale entlang des Flughafens mit ständig Autos von beiden Seiten und inzwischen stockdunkel.

Irgendwie bin ich dann doch heil am Flughafen angekommen und siehe da, der Cache ist gar nicht da. Das Areal, wo er sein müsste eine einzige Baustelle! Denkst, Puppe, Schuss in'n Ofen!

Ich habe trotzdem als 'gefunden' geloggt, denn ich hätte den Cache bestimmt gefunden, wenn er denn dann da gewesen wäre. 

Und jetzt hatte ich die Faxen dicke. Ich schnurstracks zum Taxistand. Einen Kutscher suchen, der Englisch konnte, meine Lage erklären und Preis aushandeln. Ein junger Taxifahrer hat mich dann zu seinem Kollegen vermittelt, der mit Privatwagen und Schild um den Hals da stand und mich für 12 Euro zum Hotel Palma zurück bringen wollte. Wir haben uns nett unterhalten. Ich habe von ihm immer nur verstanden 'Germania Autobahn gut' und 'Germania alles gut' und dobro dobro (gut gut). Zwischendurch habe ich gedacht, er will mich entführen, weil wir ewig gefahren sind und ich gar nicht mehr wusste, wo es lang geht. Er hat den Schleichweg über die abgesoffene Brücke jedenfalls nicht genommen, mich tatsächlich heil bei der Dicken abgeliefert und sich mega über die 20 Euro gefreut, die ich ihm gegeben habe.

Ja, ja, wenn eine eine Reise tut, dann kann sie was erleben. 

Noch eine Anekdote am Rande: ich habe auf meiner bisherigen Reise keine 5 Wohnmobile getroffen. An der Grenze zu Albanien dann ein reizendes Ehepaar aus Deutschland, die über Bulgarien etc. gekommen waren. Ich hatte mich prompt falsch eingeordnet in die Schlage und sie haben mich reingelassen, als mich Grenzer zurück scheuchten.

Bei der Kontrolle hatte ich eine offenbar völlig überforderte Grenzbeamtim im Häuschen sitzen, die mir zwei Personalausweise und einen Fahrzeugs ins Auto rein reichte und mir gebot, weiter zu fahren! Ich hatte einige Mühe, ihr klar zu machen, dass ich weder die Frau auf dem Perso bin, noch einen namentlich passenden Ehemann dabei habe. 🤣🤣